Besuch aus dem "Schattenreich"
Die Menschen sichtbar machen, an denen wir oft höchstens mit flüchtigem Blick vorbeieilen. Das ist Zeichner und Autor Sebastian Lörscher mit seinem Buch "Schatten der Gesellschaft" gelungen. Im Winter 2018/19 besuchte er unter anderem obdach- und wohnunglose Menschen im Bahnhof Lichtenberg, fand ihr Vertrauen und hielt die Begegnungen und Geschichten in Zeichnungen und Texten fest.
Gestern lud ich mit Genoss:innen aus Lichtenberg zu einer Lesung mit Sebastian Lörscher in die oskar | freiwilligenagentur lichtenberg im Weitlingkiez. Mit seinen wunderbaren Erzählkünsten brachte er uns und den vielen Gästen, einige der Menschen, denen oft verächtlich oder gar agressiv begegnet wird, näher. Das Buch erlaubt uns einen kleinen Blick in ihr Schicksal ohne mitleidig oder wertend zu sein. Sehr viel Achtung und Respekt des Autors, für die Menschen ohne Obdach, war für uns Zuhörende zu spüren.
Und noch jemand sorgte beim Publikum dafür, dass ein „Schatten" sichtbar wurde: Carmen, die selbst in jenem Winter am Bahnhof Lichtenberg übernachtete, hatte von der Lesung erfahren, kam zuhören und gab einen kleinen Einblick in ihre Lebenssituation und konnte berichten, wie es einigen Protagonist:innen des Buches inzwischen geht. Dass die Leute nicht mit verächtlichem Blick an ihnen vorbeilaufen, wünscht sie sich. „Natürlich freue ich mich auch über ne Mark aber einfach ein – Hallo, wie geht's? – das wäre schon mal ein Anfang."
Ich danke Sebastian Lörscher für die beeindruckende Vorstellung seines Buches, Carmen für ihren Mut und ihre Offenheit und danke auch an ein aufgeschlossenes, respektvolles Publikum.